Diebstahl mit Messer in der Jackeninnentasche

Laut der Kriminalstatistik ist Diebstahl die häufigste Straftat in Deutschland, weshalb er sowohl im Studium als auch in der juristischen Praxis von großer Bedeutung ist. Der einfache Diebstahl wird in § 242 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) behandelt. Für besonders schwere Fälle des Diebstahls, wie Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl oder Wohnungseinbruchsdiebstahl, ist § 243 StGB relevant. Wird bei einem Diebstahl eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug mitgeführt, greift § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.

Aber wann wird ein Gegenstand bei einem Diebstahl als Waffe oder gefährliches Werkzeug betrachtet? Das Oberlandesgericht Zweibrücken entschied, dass der Verwendungszweck des Gegenstands entscheidend ist. Es muss geprüft werden, ob der Gegenstand üblicherweise für andere Zwecke genutzt wird und ob eine Verbindung zwischen dieser Nutzung und dem Diebstahl besteht.

Diebstahl mit Taschenmesser: Urteil des OLG Zweibrücken

Am 11. September 2023 entschied das Oberlandesgericht Zweibrücken (1 ORs 4 Ss 18/23) über die Anwendung von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB in einem konkreten Fall. Der Angeklagte, ein Obdachloser, wurde bei zwei Diebstählen ertappt, bei denen er Lebensmittel entwendete. Beim ersten Vorfall trug er ein geschliffenes Springmesser mit einer Klingenlänge von 14,5 cm bei sich, das er sowohl zum Selbstschutz als auch zum Schneiden von Lebensmitteln benutzte. Beim zweiten Diebstahl hatte er ein Taschenmesser, das er zum Schnitzen und Zerkleinern von Lebensmitteln verwendete. Das Amtsgericht wertete beide Taten lediglich als einfachen Diebstahl gemäß § 242 StGB.

OLG-Entscheidung: Diebstahl mit gefährlichem Werkzeug

Das Oberlandesgericht Zweibrücken entschied, dass in diesem Fall § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB zur Anwendung kommt. Dieser Paragraph besagt, dass sich strafbar macht, wer einen Diebstahl begeht und dabei eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug mitführt. Der Täter muss das gefährliche Werkzeug bewusst griffbereit haben, sodass es ohne nennenswerten Zeitaufwand eingesetzt werden kann.

Im ersten Fall stellte das OLG fest, dass es unlogisch sei, dass der Angeklagte das Messer zur Selbstverteidigung mit sich führte, aber beim Diebstahl angeblich nicht wusste, dass er es dabei hatte. Im zweiten Fall gab der Angeklagte an, das Taschenmesser nicht bewusst bei sich gehabt zu haben, obwohl es zum Zerschneiden der gestohlenen Lebensmittel vorgesehen war. Daher konnte der Schuldspruch wegen einfachen Diebstahls nicht aufrechterhalten werden.

Praxishinweis: Kritik an der OLG-Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken ist kritisch zu betrachten. Obwohl das Gericht die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Anforderungen des Beisichführens einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs berücksichtigt, ersetzt es fehlende Feststellungen des Amtsgerichts durch eigene Vermutungen zur subjektiven Tatseite. Dies verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten). Die Feststellungen des Amtsgerichts waren nicht ausreichend, um eine Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen zu rechtfertigen.